Quelle: NABU
Die Schleiereule (Tyto alba)/Vogel des Jahres 1977
Die Sonne ist untergegangen. Im spärlichen Licht der späten Dämmerung erkennt man nur schemenhaft die Böschung. Plötzlich gleitet lautlos ein krähengroßer, heller Vogel mit langen Flügeln vorüber. Im langsamen Flug patrouilliert er wenige Meter über dem Boden den Hang entlang, bis er plötzlich herab stößt.
Eine Schleiereule bei der Mäusejagd!
Mit ihrem herzförmigen, hellen Gesichtsschleier, der hierzulande namensgebend war und den kleinen dunklen Augen, ist die Schleiereule vielleicht unsere schönste Eule.
Das Gefieder ist oberseits gelbbraun und unterseits weiß. Federohren, wie viele ihrer Verwandten, tragen Schleiereulen nicht. Die Ohren liegen unter den Federn des Gesichtes verborgen. Wie
ein Trichter sammelt das Gesicht den Schall und bündelt ihn zu den großen Ohröffnungen hin. Schleiereulen verfügen dadurch über ein perfektes Richtungshören, mit dem sie in stockdunkler Nacht
jagen können.
Die Schleiereule ist ein Charaktervogel des ländlichen Raumes. Schon im Mittelalter hat sie die „traditionelle“ bäuerliche Landwirtschaft mit den angrenzenden Dörfern und Gehöften für sich
entdeckt. Wo auf den Feldern Hecken, Grünflächen, Feuchtstellen, Stein- und Totholzhaufen sowie krautreiche Wegränder sich abwechseln, wartet auf die Eule ein reich gedeckter Tisch. In
unseren Breiten stehen Feldmäuse ganz oben auf ihrer Beuteliste.
Mit dem jahrtausendelangen Kulturfolger verbindet sich jedoch auch viel Aberglauben. Eine an die Scheunentür genagelte Eule soll Unheil vom Hof abwenden und ihn vor Blitzschlag und Feuer schützen.Ihr Ruf kündigt in manchen Regionen den Tod an, in anderen Regionen weist Eulengeschrei auf eine bevorstehende Geburt hin.
Der Aberglaube differenziert dabei nicht zwischen den einzelnen Eulenarten. Da die Schleiereule jedoch in der größten Nähe zum Menschen lebt, war bzw. ist sie in abergläubische Rituale am ehesten involviert.
Das hochpräzise akustische Ortssystem der Schleiereule dient in der Forschung als Modelsystem für das Richtungshören.
Des weiteren ist die Schleiereule das Wappentier der Universität des Saarlandes.
Lautäußerungen:
Am auffälligsten ist der kreischende, lang gezogene Revierruf des Männchens. Zur Warnung ruft die Schleiereule hastig kraich-kraich, in Abwehrsituationen ist Fauchen und Schnabelknappen zu hören.
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Versteck in der Scheune
Ganz hinten in der Ecke einer Scheune sitzt sie. Dicht an einen Dachbalken gedrückt, auf gestreckten Beinen hoch aufgerichtet und mit engem Gesichtsschleier – eine Schleiereule in typischer
Tarnstellung. Für die ortstreue und ganzjährig anwesende Schleiereule sind Scheunen und Ställe nicht nur Brutplatz, sondern auch wichtige Tages- und Wintereinstände. Hier verdösen sie den Tag
und notfalls kann man bei Schnee und Frost hier drinnen noch eine Maus erhaschen. Deshalb besitzen traditionelle Scheunen einen Euleneinflug
Dunkle, geräumige Nischen mit freiem Zuflug sind ideale Brutplätze. Schleiereulen bauen kein Nest. Die Eier liegen auf dem Boden, allenfalls eine Schicht zerfallener Gewölle dient als
Unterlage.
Vier bis sieben Eier
Ab April/Mai liegen vier bis sieben lang ovale, weiße Eier im Nest. Da Schleiereulen alle zwei bis drei Tage ein Ei legen und ab dem ersten Ei zu brüten beginnen, schlüpfen die Jungen
asynchron und es finden sich unterschiedlich entwickelte Jungvögel im Nest. Das hat einen scheinbar grausamen, aber praktischen Grund: Bei knapper Nahrung haben immerhin ältere Junge eine
Überlebenschance, die jüngsten müssen im Ernstfall verhungern und werden sogar aufgefressen. Die Brutzeit dauert ungefähr einen Monat und die Nestlingszeit bis zum Ausflug etwa zwei Monate.
Das Männchen versorgt seine brütende Partnerin und anfangs auch die zunächst blinden Jungen mit Futter. Sind die Jungeulen größer, gehen beide auf Jagd.
Die Lebenserwartung einer freilebende Schleiereule kann man, Anhand von Beringungsfunden, mit etwa 18 Jahren angeben.
In den letzten 50 Jahren weisen die Schleiereulenbestände in vielen Ländern negative Trends auf, denn moderne Bauweisen bieten ihnen weniger Nischen, gegen Tauben vergitterte Kirchtürme
sperren Eulen aus, massive Veränderungen der Kulturlandschaft nehmen den Vögeln ihre Jagdgebiete und die gerne straßennah jagenden Schleiereulen werden oft Verkehrsopfer.
Rückgang gestoppt
Doch dank gezielter Schutzmaßnahmen ließ sich vielerorts wenigstens eine Bestandsstabilisierung erzielen, sodass, der Bestand der Schleiereulen in Deutschland nicht als gefährdet gilt.
Besonders Kirchen und Bauernhöfe in ländlicher Umgebung haben zentrale Bedeutung bei den Schutzbemühungen, denn die Kombination aus eulenfreundlichem Gebäude und mit wenigen Schwingenschlägen
erreichbarer, zur Mäusejagd tauglicher Landschaft macht es aus. Viele Naturschützer arbeiten bundesweit daran, wieder in jedem geeigneten Dorf ein Eulenpaar zu etablieren. Dazu klettern sie
in Kirchtürme, zimmern dort Brutnischen, schaffen Eulenlöcher, pflegen Nistplätze, kontrollieren den Bruterfolg und beraten bei Umbau- und Renovierungsarbeiten.
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Zu guter Letzt
Was sich Schleiereulen wünschen:
- regelmäßig gemähte oder beweidete Grünflächen, breite Saumbereiche, Ackerrandstreifen, Hecken
- artenreiche Flächen auf denen u.a. Klee und Luzerne wachsen
- auf mindestens 25 Prozent der Gesamtnutzfläche Winterstoppeln
- Wälle oder dichte Gehölzpflanzungen entlang stark frequentierter Trassen und Straßen
- die Erhaltung bekannter Brut- und Tagesruheplätze
- beste Lande- und Einflugmöglichkeiten
- dunkle Ecken, um für Nachwuchs sorgen zu können
- spezielle Nistkästen, die mardersicher angebracht werden